Unvereinbarkeitserklärung

Position beziehen gegen Rechts

(I) Die Ausgangslage

Vor über 10 Jahren (2005) hat der Chaos Computer Club e.V. die Erklärung „Farbe gegen Rechts“ veröffentlicht [Ref. 1 ]. Die schon dort getroffenen Aussagen zu notwendigem kritischen Umgang mit Computern und Technik gelten unverändert auch heute. Praktisch jeder Mensch trägt rund um die Uhr mindestens einen Computer und unzählige darin eingebaute Sensoren bei sich. Damit geht ein potentiell vollständiger Verlust der Privatsphäre einher.

(II) Die Macht der Technik

Technische Entwicklungen bieten vielfältige Chancen und Möglichkeiten, die allen Menschen Fortschritt nahe bringen, ihnen bei Missbrauch aber auch Schaden zufügen können.

Wir sehen diese vielen Möglichkeiten, die durch Technik das Leben und Zusammenleben der Menschen erleichtern können. Wir erkennen die Risiken, die mit dem Einsatz von Technik verbunden sein können. Wir lehnen Anwendungen, die dazu gedacht sind, Menschen zu diskriminieren, zu benachteiligen und nach willkürlichen Maßstäben zu bewerten, ab.

Jede technische Lösung – und sei sie in noch so guter Absicht entstanden – existiert nicht in einem Vakuum. Sie hat das Potenzial von Menschen gegen Menschen missbraucht zu werden.

Wer Verantwortung über staatliche Infrastruktur trägt, hat sich auch den Mitgliedern der Gesellschaft gegenüber für Fehlverhalten zu verantworten. Handlungen im Rahmen dieser Verantwortung müssen transparent und von allen Mitgliedern der Gesellschaft nachvollziehbar sein. Diese Machtposition darf nicht missbraucht werden.

Resultate und Erkenntnisse aus Projekten, welche mit staatlichen Mitteln unterstützt oder finanziert wurden, müssen allen Menschen unter Verwendung offener Lizenzen sowie maschinenlesbar im Sinne von offenen Daten zur Verfügung stehen. Dies verlangen wir zum Wohle der Menschheit.

(III) Der Überwachungsstaat

Eine zentrale Aufgabe des Staates ist es, die Freiheit seiner Bürger*innen zu gewährleisten, die unantastbare Würde des Menschen zu sichern und vor Herabwürdigung zu schützen [Ref. 2].

Das von der österreichischen Regierung vorgeschlagene, und in Teilen bereits umgesetzte Überwachungspaket zeigt, dass die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit als Bedrohung angesehen wird. Anders lässt sich der offensichtliche Generalverdacht, unter den dieser Entwurf uns alle stellt, nicht erklären. Auch der Mauerbau am Ballhausplatz, später zu Pollern reduziert, lässt eine gesteigerte Furcht vor mündigen Bürger*innen vermuten.

Aber: Überwachung bedeutet nicht Sicherheit, sie bleibt Überwachung. Sie bedeutet Einschränkung und Repression für jede*n. Besonders hart betroffen davon sind ohnehin die schwächsten Teile der Gesellschaft, benachteiligte und marginalisierte Gruppen [Ref. 3], von denen einige in der aktuellen politischen Rhetorik pauschal als Gefährder*innen gebrandmarkt und vorverurteilt werden.

Der im aktuellen Regierungsprogramm skizzierte Kurs deutet auf einen weiteren massiven Ausbau derartiger diskriminierender und erniedrigender Praktiken hin. Diese lehnen wir entschieden ab.

(IV) Der zurück gewandte Blick

Im Regierungsprogramm wurden ausdrücklich „christliche“ Werte niedergeschrieben, welche jeden Menschen anderen Glaubens sowie Menschen ohne Konfession im Jahr 2017 zu Außenseiter*innen der Gesellschaft degradieren. Wir stehen für eine konsequente Fortführung der Trennung von Staat und religiösen Institutionen. Wir interpretieren derartige Formulierungen als staatliche Diskriminierung, welche sich mit den Grundsätzen eines modernen und aufgeklärten Landes nicht vereinbaren lassen.

Die jetzige Regierung vertritt Ansichten, die selbst das Wort „konservativ“ modern erscheinen lassen. Vom obersten Gerichtshof überstimmt, der die Ehe für Alle in Österreich beschloss, wird Familie von der Regierung dennoch ausdrücklich als Einheit von Mann, Frau und Kindern definiert. Das steht nicht nur in bewusstem und absichtlichem Widerspruch zum Urteil des obersten Gerichtshofes und der Auffassung eines Großteils der österreichischen Bevölkerung, sondern ist auch ein Rückschritt in den Geist des letzten Jahrtausends.

Die Besetzung der Regierungsposten im Kabinett durch den aktuellen Bundeskanzler und seinen Stellvertreter zeigt außerdem eine starke Tendenz zu nationalistischem, rassistischem und antisemitischem Gedankengut. Weiters ist anzumerken, dass die Rhetorik dieser Regierung gegenüber marginalisierten Gruppen üblicherweise von rechten bis rechtsextremen Gruppierungen verwendet wird.

(V) Unsere Position

Der Chaos Computer Club Wien (C3W) ist eine Gemeinschaft von Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion oder Weltanschauung, sexueller Orientierung, ethnischer Zugehörigkeit sowie gesellschaftlicher Stellung, die sich grenzüberschreitend für Informationsfreiheit einsetzt. Der C3W fördert den kritischen Umgang mit elektronischen Medien sowie den Risiken und Nebenwirkungen der elektronischen Kommunikation, die Verbreitung von freien Technologien und Standards sowie das Wissen um diese Entwicklung. Wir verstehen uns daher bei Themen mit technologischem Hintergrund als Vertreter der Zivilgesellschaft.

Wer es darauf anlegt, das Zusammenleben in dieser Gesellschaft zu zerstören und auf eine Gesellschaft hinarbeitet, die auf Spaltung, Chauvinismus, Ausgrenzung, Bespitzelung und Nationalismus beruht, arbeitet gegen die humanistischen Grundsätze, die uns als Verein verbinden.

(VI) Unsere Erklärung

Der Chaos Computer Club Wien erklärt das Vertreten von Rassismus und die Verharmlosung der historischen sowie aktuellen rechten Gewalt für unvereinbar mit einer Mitgliedschaft. Dazu zählt für uns die Mitgliedschaft in entsprechenden Gruppierungen ebenso wie die Unterstützung derselben (etwa durch Mitarbeit im Wahlkampf oder bei Demonstrationen). Auch das „passive“ Befürworten rechten Gedankenguts stellt für uns ein absolutes ‚No Go‘ dar und ist daher mit einer Mitgliedschaft im C3W nicht vereinbar.

- Chaos Computer Club Wien

Referenzen:

Ref 1:

CCC e.V.: Unvereinbarkeitserklärung

Ref 2:

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften: Artikel 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Ref 3:

Anmerkung: Hierzu können unter anderem Alleinerzieher*innen, Arbeiter*innen, Geringverdienende, Arbeitslose, (in Österreich wohnhafte) nicht-österreichische Staatsbürger*innen und nicht zuletzt Frauen, sowie trans* und nicht-binäre Personen gezählt werden.