Hacktour 4/24: FOTEC
Bericht
Die FOTEC Forschungs- und Technologietransfer GmbH ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der FH Wiener Neustadt. Zentral ist das Labor für additive Fertigung (3D-Druck) mit Metallen und Kunststoffen. Hier werden komplexe Prototypen und Funktionsbauteile mittels Laserschmelzverfahren gefertigt. Zur Anwendung kommen diese Bauteile dann oft in der Abteilung Aerospace Engineering, wo sie in Projekten für verschiedene erfolgreiche Missionen Verwendung fanden. Zwischen den Abteilungen besteht also eine enge Zusammenarbeit. O-Ton:
„Die Aerospace-Abteilung hat immer wieder interessante Anforderungen für die ALM-Abteilung.“
ALM steht hier für „Additive Layer Manufacturing“ (deutsch: additive Fertigung).
Abteilung ALM (Additive Layer Manufacturing)
Im 3D-Druck-Labor wird an unterschiedlichen Materialien geforscht. Wie verhalten sich verschiedene Metalle bei der Verarbeitung im Druck und auch in der Post Production? Für den Druck sind (je nach Verfahren) Supportstrukturen notwendig, die anschließend mechanisch oder chemisch entfernt werden müssen. Putzen und Nachbearbeiten gehört ebenfalls zum Fertigungsprozess. Und schließlich müssen die Bauteile vermessen und getestet werden, um ihre Stabilität und Funktionalität zu garantieren.
Zur Anwendung kommen die folgenden Verfahren:
- Laser Powder Bed Fusion (LPBF)
- Lithography-based Metal Manufacturing (LMM)
- Selektives Lasersintern / Selective Laser Sintering (SLS)
- Fused Filament Fabrication (FFF)
Laser Powder Bed Fusion (LPBF)
Während der Tour durften wir uns die Maschinen EOS M400 und EOSINT M280 aus dem LPBF(Laser Powder Bed Fusion)-Bereich ansehen. Die EOSINT M280 war 2010 die erste Laserstrahlschmelzanlage in Österreich und ist bei FOTEC heute noch regelmäßig im Einsatz, um verschiedene Materialien zu testen. Aktuell wird mit einer Nickellegierung experimentiert. Dabei dauert ein Iterationszyklus etwa eine Woche: Ein Bauteil wird gedruckt, dann geprüft, vermessen und das Design entsprechend angepasst. Dann beginnt der nächste Iterationszyklus mit einem neuen Druck.
Beim Blick in den Bauraum lässt sich der Prozess folgendermaßen nachvollziehen: Zuerst wird eine Schicht Metallpulver aufgetragen, in diesem Fall wird sie von rechts nach links über die Bauplattform gezogen, das überschüssige Pulver fällt links in einen Überlauf und wird wieder verwendet. Nun schmilzt ein Laserstrahl das Metallpulver an den Stellen, die vom Design vorgegeben sind. Das sieht aus wie ein Lichtstrahl, der Formen (zB Kreise) in die Metallschicht schneidet. Anschließend wird das nicht verwendete Pulver dieser Schicht abgekehrt, die Bauplattform um 20µm abgesenkt und die nächste Schicht aufgetragen. Das Objekt wird also Schicht für Schicht von unten nach oben aufgebaut.
Wir konnten auch Bauteile miteinander vergleichen, an denen die Vorteile des Metall-3D-Drucks deutlich zu sehen sind. Im Vergleich zu einem geschweißten Bauteil sind deutlich feinere Konturen möglich und die Fertigungszeit kann deutlich verkürzt werden. Durch den Einsatz von LPBF kann Gewicht reduziert werden und die Funktionalität der Bauteile verbessert werden.
Lithography-based Metal Manufacturing (LLM)
Neuer ist das LLM-Verfahren (Lithography-based Metal Manufacturing). Das Ausgangsmaterial – der sogenannte „Feedstock“ – ist ein Gemisch aus Metallpulver und einem Photopolymer. Davon wird durch eine beheizte Klinge eine Schicht abgeschmolzen und auf die Bauplattform aufgetragen. Diese Schicht wird durch einen Projektor lokal belichtet. In den belichteten Bereichen wird das Metall in der Polymerstruktur gebunden. Die fertigen Teile befinden sich nach dem Druckprozess in einem „Ziegel aus Metallschleim“. Das überflüssige, nicht belichtete Material wird anschließend weggeschmolzen und kann wieder verwendet werden.
Das LLM-Verfahren hat entscheidende Vorteile:
- Damit können Metalle verarbeitet werden, die schwer zu fräsen wären, zB Wolfram.
- Im LLM-Verfahren sind sehr feine Details möglich, die mit anderen Verfahren nicht möglich wären.
Im FOTEC-Labor wird aktuell mit einem incus Hammer Lab 35 gearbeitet. Mit der Herstellerfirma incus besteht eine Zusammenarbeit hinsichtlich der Materialentwicklung.
Fused Filament Fabrication (FFF)
Ein aktuelles Projekt ist das Drucken mit nachgebildetem Marsgestein. Damit soll erforscht werden, wie vor Ort auf dem Mars mit vorhandenen Materialen gearbeitet werden kann. Dazu gab es am Freitag, den 22. November 2024 im Rahmen des MetaDay #100 einen Kurzvortrag von ripper im Metalab. Eine Aufzeichnung der Vorträge dieses Abends ist in Bearbeitung und wird dann auf der oben verlinkten Wiki-Seite zu finden sein. Dort könnt ihr auch ein Foto eines 3D-Drucks mit nachgebildetem Marsgestein sehen.
Abteilung Aerospace Engineering
FOTEC hat den Bereich Aerospace Engineering 2010 vom Austrian Institute of Technology (AIT) übernommen. Die folgenden Absätze sind von der FOTEC-Webseite übernommen, um die Projekte in diesem Bereich zu erläutern:
- Ion Emitter: FOTEC ist der weltweit einzige Lieferant von Space Qualified Flüssigmetall-Ionenquellen. Diese Ionenquellen wurden sowohl für Massenspektrometer auf Missionen wie ROSETTA als auch als Potentialkontrolle auf Missionen wie CLUSTER II eingesetzt. FOTEC bietet unterschiedliche Ionenemittertechnologien an, so zum Beispiel volle oder poröse Nadeln und auch Kapillaren. Zusammen mit Partnern bietet FOTEC Flight Proven Active Spacecraft Potential Control (ASPOC) Systeme an, wie sie zum Beispiel auf der NASA MMS Konstellation verwendet werden.
- Electric Propulsion: FOTEC entwickelt hochpräzise elektrische Triebwerke für den Formationsflug und die Lagekontrolle von Satelliten. Während FOTEC High-performance Triebwerke für anspruchsvollste wissenschaftliche Missionen wie NGGM, LISA oder DARWIN entwickelt, wurde von FOTEC aus derselben Technologie ein kommerzielles Produkt entwickelt: der IFM Nano Thruster. Der IFM Nano Thruster hat sich als höchst kompetitive Antriebslösung für Kleinstsatelliten erwiesen und wurde 2017 erstmals im Orbit demonstriert.
- Chemical Propulsion: FOTEC ist an der Entwicklung von umweltfreundlichen Alternativen für den Raketentreibstoff Hydrazin beteiligt. FOTEC entwickelt dabei „grüne“ bi-propellant Antriebsysteme für die Lage- und Bahnregelung von Satelliten, basierend auf Wasserstoffperoxid. Der typische Schubbereich liegt zwischen 1 und 20 N. Diese FOTEC-Aktivitäten beinhalten die Entwicklung von Katalysatoren für die Zersetzung des Treibstoffes, von Injektoren für bi-propellant Antriebsysteme und von miniaturisierten Verbrennungssystemen sowie die Untersuchung der Kompatibilität von Konstruktionsmaterialien mit verschiedenen „grünen“ Treibstoffen. Das Know-how aus diesen Entwicklungen, insbesondere das umfassende Verständnis des thermischen Verhaltens, der Verbrennungsprozesse sowie das Materialverhalten unter extremen Bedingungen, wird laufend auch in terrestrischen Anwendungen eingesetzt.
Hier konnten wir die zwei großen Vakuumkammern in Betrieb beobachten. Die Bauteile können in den Vakuumkammern den thermischen Bedingungen und dem Druck ausgesetzt werden, die sie im Weltall erwarten. Eine der Kammern wurde mit flüssigem Stickstoff gekühlt. Auf den Stickstoff-führenden Teilen bildet sich ein weißer Belag („die Luftfeuchtigkeit, die darauf anfriert“), Rauchschwaden sind zu sehen. An der Seite der anderen Vakuumkammer sehen wir eine Kamera auf einem Stativ, hier wird vermutlich gerade ein Triebwerk gezündet.
Ein wichtiger Bereich ist das so genannte „environmental testing“. Hier werden die Bauteile in verschiedensten Bereichen getestet, um sicherzustellen, dass sie den Anforderungen, mit denen sie später im Weltall konfrontiert werden, auch gerecht werden. Sie müssen den Raketenstart und die Abtrennung von Raketenstufen überstehen, extreme Hitze und Kälte aushalten sowie die Strahlung, die im Weltall auf sie einwirken wird. Dabei wird ein Bauteil zB in kurzer Zeit dem Strahlenäquivalent von fünf Jahren im All ausgesetzt.
Wichtig ist auch der Vibrationstest: Raketen haben jeweils ein bestimmtes Vibrationsprofil, welches im Testgerät eingegeben werden kann. Das Bauteil wird dann in alle Richtungen geschüttelt (in verschiedenen Durchgängen, da der Shaker immer nur in einer Achse rüttelt).
Der Schocktest erfordert ebenfalls eine genaue Konfiguration der Parameter. Buchstäblich wird mit einem großen Gewicht auf das Teil geschlagen, an dem das zu testende Bauteil befestigt ist. Wichtig ist die richtige Geschwindigkeit, die Fallhöhe, das Material sowie das Gewicht des schlagenden Teils.
Während unserer Tour ist es draußen dunkel geworden, der Eingangsbereich ist noch beleuchtet. Den Teilnehmenden ist die Erschöpfung durch den großen Informationsinput der letzten Stunden deutlich anzusehen. Alle gehen mit spannenden Einblicken in die Welt der 3D-Druck- und Aerospace-Engineering-Forschung nach Hause.