Stellungnahme zur Abstimmung im EU-Parlament zu Leistungsschutzrecht und Uploadfiltern
Die heutige Abstimmung im EU-Parlament kann das Ende des freien Internets und seiner fundamentalen Funktionsweise und Daseinsberechtigung bedeuten. Wenn sämtliche Bürgerrechtsorganisationen, der WWW-Erfinder Tim B. Lee und alle NGOs im Vorfeld begründen, warum Uploadfilter und Leistungsschutzrecht eine Gefahr darstellen, ist fraglich, warum die EU-Abgeordneten nicht darauf hören. Menschen, die sich damit auskennen, könnten Grund dazu haben, wenn sie vor dieser Entscheidung gewarnt haben.
Durch Linktax wird es - je nach Ausgestaltung der noch auszujudizierenden Gesetzgebung - voraussichtlich weniger Blogposts oder Artikel geben. Insbesondere eine kritische Berichterstattung könnte deutlich erschwert werden, wenn für jeden Link erst die Genehmigung des Rechteinhabers eingeholt werden und Geld abgegeben werden muss. Es ist auch möglich, dass die in den USA ansässigen Internetriesen europäische Inhaltsangebote einfach ganz aus ihrem Angebot nehmen. Google hat dies im Falle des Leistungsschutzrechts in Deutschland bereits so lange getan, bis sie von der Regelung ausgenommen wurden, in Spanien gibt es Google News nicht mehr.
Dieselben US-Konzerne werden aber in kürzester Zeit diejenigen sein, die die Inhalte im Netz vollständig kontrollieren, da sie bereits Uploadfilter im Einsatz sowie die notwendigen Ressourcen haben, diese für die anderen Contentarten wie Text und Bild weiter zu entwickeln und zu betreiben. Alle Inhalte müssten zuerst bei diesen Konzernen hochgeladen werden, um sie für die Filter zu klassifizieren. Und wie fehleranfällig Filter (oder technische Lösungen überhaupt) sind, zeigen die zahlreichen Beispiele, die im Vorfeld der Abstimmung überall im Netz genannt wurden.
Obendrein kommt die Gefahr, die eine einmal installierte Technik mit sich bringt, nämlich die Ausweitung von deren Nutzung für andere als die ursprünglich bestimmten Zwecke - so wie wir es in der Nutzung von verschiedenen Überwachungstechniken durch den Polizeiapparat auch heute bereits sehen. Wenn wir eine dedizierte Zensurmaschinerie aufbauen, die darauf trainiert wird, gelistete Inhalte vor deren Veröffentlichung bereits aus dem Verkehr zu ziehen, müssen wir uns auch nicht wundern, wenn sie in absehbarer Zeit dazu genutzt wird, mehr als nur Copyrightverletzungen zu "filtern"; politisch unerwünschte Meinungen beispielsweise. Oder, viel simpler: Satire.
Der Versuch, soziale Probleme durch technische Umsetzungen auf juristischer Ebende zu erzwingen, wird mittel- und langfristig sowohl für die Kreativwirtschaft als auch die Zivilgesellschaft weitreichende und bisher noch nicht absehbare Konsequenzen haben.